Ist NAS-Whisky schlechterer Whisky?
Gleich vorneweg: Nein. Einem NAS-Whisky fehlt lediglich die Altersangabe auf dem Etikett, was auf die Qualität des Geschmacks per se ja keine Auswirkung hat.
Diese Altersangabe, wenn sie denn angegeben ist, bezieht sich immer auf die Lagerzeit des jüngsten in dieser Flasche enthaltenen Whiskys. Enthalten sind, mit Ausnahme der Einzelfassabfüllungen, immer mehrere Altersstufen. Wie alt die älteren Jahrgänge sind, oder wie die Verhältnisse der Zusammensetzung sind, insbesondere das genaue Durchschnittsalter eines Whiskys, sind daraus nicht abzuleiten.
Die Abkürzung für "No Age Statement“ und die entsprechend etikettierten Whisky-Editionen von Schottischen Single-Malts sorgen seit ca. 2014 dennoch für heftige Diskussionen unter Whisky-Fans. Als eines der wichtigsten Merkmale für die Qualität eines Single-Malts hat sich für viele Verbraucher nämlich gerade das angegebene "Alter des Whiskys" etabliert. Logisch, denn bis zu 80 % des Single-Malt-Whisky-Geschmacks entsteht bekanntermaßen durch die jahrelange Lagerung im Holzfass. Folgerung: Alt ist gut und besonders alt ist besonders gut. Deshalb wurde diese Altersangabe auf dem Etikett in den 1960er Jahren eingeführt und als Marketing-Instrument verwendet.
Gerade diese Überzeugung und die daraus zunehmend erwachsende Nachfrage speziell an älteren Jahrgängen brachten die Destillerien jedoch an Kapazitätsgrenzen bezüglich des „alten“ Whiskys. Die Standard-Portfolios verjüngten sich im Durchschnitt, auch wenn auf dem Etikett der jüngste immer noch z.B. 12 Jahre alt war. Die älteren waren nicht viel älter, denn X Jahre Reifezeit dauern nun einmal X ganze Jahre, auch wenn man zeitnah die Brennerei- und Lager-Kapazitäten für die Abdeckung der ständig steigenden Nachfrage deutlich aufstockt.
Die Idee auch jüngere Whiskys aus dem Stock der Destillerien mitzuverwenden, ältere mit den jüngeren zu blenden, lag also nahe. Nur die Altersangabe auf dem Etikett taugte dann als Marketing-Instrument nicht mehr besonders gut.
An deren Stelle traten besonders edle Gestaltungen, Geschmacksangaben und Geschichten zur Hervorhebung dieser Sonder-Editionen und Neuerscheinungen, die zunächst meist für Travel-Retail (Duty-Free-Shops) herausgebracht wurden. Nach wie vor enthalten sie Malts unterschiedlicher Altersstufen. Das Minimum sind drei Jahre, häufiger sind jedoch Malts zwischen 7 und 9 Jahren enthalten.
Die Vorteile für Destillerien und unabhängigen Abfüller liegen auf der Hand: Schnellere Kapazitäten, sparen von Lagerkosten, mehr Absatz.
Dies wurde von Whisky-Fans und -Bloggern nicht immer wohlwollend aufgenommen. Der Verdacht der Abzocke lag nahe, da diese Sondereditionen preislich durchaus anspruchsvoll antraten, und es wurde befürchtet, dass die "No Agers“ das Einstiegssegment der 12-15-Jährigen verdrängen und die ganze Branche, speziell in Schottland, schädigen könnten.
Das ist bisher glücklicherweise bisher nicht eingetreten. Der Whiskyboom ist ungebrochen und einige No-Age-Statement-Whiskys haben geschmacklichen Anklang gefunden. Der Vorteil für die Verbraucher besteht hier darin, dass sich die Master Blender besonders experimentell austoben und ganz neue Geschmackserlebnisse kreieren können. Besondere Finishes durch andere Holzarten und seltene Vorbelegungen, aufregendere Aromen, überraschende Nuancen können hinter einem NAS-Etikett warten. Das trifft direkt das Wesentliche am Whisky-Genuss, denn auf den Geschmack und die Aromen kommt es schlussendlich an. Der Whisky-Genießer hat an Auswahl dazugewonnen.
